Sichten und Schichten

 

Sehr geehrte Damen und Herren

 

Was legitimiert mich heute Abend hier zu Ihnen zu sprechen? Was verbindet mich mit Therese Grossenbacher und Frank Studer? 

 

Nun, in erster Linie ist es die Freundschaft zu Therese:

Therese Grossenbacher ist ein liebgewonnener Teil meiner Wahlheimat Beinwil am See. Wir schichten seit 15 Jahren künstlerische und private Interessen übereinander. Wir teilen die Sicht auf den See, die Liebe zu den Lichtspielen im Wasser und zu den Wolkenstrukturen am Himmel.

 

In zweiter (und nicht weniger bedeutsamer) Linie ist es meine Begeisterung für ihre künstlerische Arbeit. Therese Werke begleiten mich, seitdem wir uns kennen, aufmerksam verfolge ich ihren künstlerischen Prozess.In ihren neusten Arbeiten entsteht - welch „zufällige Fügung“ - eine weitere persönliche Verknüpfung, und zwar die zu meiner ursprünglichen Heimat – dem Ruhrgebiet. Ich bin – wie man bei uns sagt – im Pott aufgewachsen, der Wiege des Kohlebergbaus und in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas.Graphit spielt in dieser Gegend eine zentrale Rolle. Es wird bei der Kohlebildung von der Stahlindustrie als Zusatz im Hochofen eingesetzt. Und just diesen „Ausbiss“, wie der Bergmann das tief-grauschwarze Gestein nennt, verarbeitet Therese Grossenbacher in ihren Werken. Sie verwandelt dieses Material in Struktur und Bewegung und schenkt uns dabei WOLKENBLUMEN, ERINNERUNGEN und vieles mehr. 

 

„Die Zeichnung ist die unmittelbarste Form des künstlerischen Ausdrucks“ sagt Therese Grossenbacher. Der Stift und das weiße Papier lassen ihr die Freiheit spontan und intuitiv auf Impressionen zu reagieren.Diese Freiheit manifestiert sich in den Werken, die heute hier zu sehen sind.Therese vertraut auf die Möglichkeiten, die das Material ihr bietet und spielt AUF SCHWARZ und AUF WEISS mit den Zwischenräumen aus Licht und Schatten, aus Hell und Dunkel. Durch den sensiblen Auftrag verschiedener Grafit-Schichten entsteht eine ausgewogene, dunkle Farbigkeit. Lichtpunkte werden je nach Standort unterschiedlich wahrgenommen. Alles scheint in Bewegung begriffen.

 

Therese verleiht dem Material eine intensive Dichte (wie die in langen Zeiträumen entstandenen Gebirgszüge). Sie entführt den Betrachter in die tiefen Schichten eines mineralischen Universums und fördert Unsichtbares zu Tage. Geschichten lassen sich erahnen, sichtbar geworden in der Intensität des künstlerischen Prozesses.

 

Schichten finden wir bei Therese aber auch in der Malerei. In den hier präsentierten grossformatigen Exponaten IM WEISS und IM SCHWARZ legt sie 40 – 50 Farbschichten übereinander. Auch hier spielt die Qualität und die Lebendigkeit des Materials eine zentrale Rolle. 

 

Wie im Bergbau befördert Therese Grossenbacher eine neue Dimension zu Tage. Sie schafft es aus der Zweidimensionalität des Bildes heraus, räumliche Erlebnisse freizulegen. Ausgehend von sinnlichen Erfahrungen erzeugt sie Emotionalität und ermöglicht dem Betrachter eine neue Art des Sehens und Empfindens. Assoziativ lässt sie uns in tiefere Wahrnehmungsschichten eintauchen, um dabei ganz unbeschwert in eigene Bildwelten vorzudringen. 

 

Im dritten Ausstellungsraum gewährt sie uns einen weiteren Blick auf ihr vielschichtiges Werk. Mit dieser mit „DIALOG“ betitelten Werkreihe scheint sie in ein angeregtes Gespräch vertieft.Das aktivere Material (Holz) erlaubt ihr einen dynamischeren Ausdruck.Sie spielt mit Farben und Formen, mit Parallelen und Kontrasten und kreiert dabei bewegte Landschaften, die an Gärten, Seeufer, glänzende Tage und schillernde Nächte erinnern.